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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 8. Oktober 2015

A ROYAL NIGHT – EIN KÖNIGLICHES VERGNÜGEN (2015)

Originaltitel: A Royal Night Out
Regie: Julian Jerrold, Drehbuch: Kevin Hood und Trevor De Silva, Musik: Paul Englishby
Darsteller: Sarah Gadon, Jack Reynor, Bel Powley, Rupert Everett, Emily Watson, Roger Allam, Jack Laskey, Jack Gordon, Mark Hadfield, Ruth Sheen
 A Royal Night - Ein königliches Vergnügen
(2015) on IMDb Rotten Tomatoes: 74% (5,8); weltweites Einspielergebnis: $5,1 Mio.
FSK: 6, Dauer: 98 Minuten.

Als am 8. Mai 1945 der Zweite Weltkrieg in Europa durch die bedingungslose Kapitulation Deutschlands endlich sein Ende fand, war dies nach Jahren des Grauens ein Tag der Freude und des Jubels in den Siegermächten. In der britischen Hauptstadt London feiert die Menge ausgelassen den "Tag der Befreiung", während König George VI. (Rupert Everett, "In guten Händen") seine Rede vorbereitet, die er um Mitternacht im Hörfunk halten wird. Thronfolgerin Elizabeth (Sarah Gadon, "Dracula Untold") und ihre jüngere Schwester Margaret (Bel Powley, "The Diary of a Teenage Girl") sollten bei der Rede eigentlich auch anwesend sein und sich anschließend auf dem Balkon des Buckingham Palace den jubelnden Untertanen zeigen, doch die Teenager (Elizabeth ist 19, Margaret fast 15) können den König gegen den Willen ihrer Mutter Elizabeth (Emily Watson, "Everest") überreden, diese so besondere Nacht inkognito als "Lizzie" und "Maggie" außerhalb des Palasts zu verbringen. Natürlich sorgt die Königin dafür, daß der Abend dennoch sehr reglementiert vonstatten gehen soll: Zwei verläßliche Offiziere begleiten die jungen Damen direkt zum noblen Hotel Ritz, wo sie in einem abgetrennten Raum mit ausgewählten Personen aus der gehobenen Gesellschaft stilvoll feiern sollen. Auf Initiative Margarets entwischen die Schwestern ihren Aufpassern jedoch bald, verlieren sich allerdings in dem Getümmel. Während Maggie die Nacht in "Freiheit" einfach nur genießen will, versucht die vernunftgetriebene Lizzie, ihre Schwester wiederzufinden – und greift dabei auf die Hilfe des mürrischen Soldaten Jack (Jack Reynor, "Transformers 4") zurück, über den sie in einem Bus ziemlich buchstäblich stolpert

Kritik:
Es ist schon bemerkenswert, wie schnell sich die Dinge ändern können. Noch vor knapp 20 Jahren, nach dem Tod von Lady Di 1997, wäre ein so offensiv unkritischer – manche könnten sogar sagen: royalistischer – Film wie "A Royal Night" schlicht und ergreifend undenkbar gewesen. Damals wurde in der Öffentlichkeit ernsthaft über das Ende der traditionsreichen (repräsentativen) Monarchie in Großbritannien diskutiert, heute zählt Queen Elizabeth II. zu den beliebtesten Menschen weltweit und auch ihr lange belächelter Sohn und Thronfolger Prince Charles sowie dessen Söhne William und Harry können sich über mangelnde Popularität nicht beschweren. Vielleicht hat sogar ein Film bei diesem ungewöhnlichen Stimmungsumschwung mitgeholfen, denn Stephen Frears' OSCAR-gekrönter "The Queen" machte (nicht nur) für die Briten das distanzierte Verhalten der Royals nach der Tragödie um die frühere Prinzessin Diana nachvollziehbar. "A Royal Night" von Regisseur Julian Jarrold ("Geliebte Jane") hat keinerlei derartige Ambitionen, stattdessen handelt es sich um eine Feelgood-Komödie, die fast schon als bewundernde "fan fiction" über die jungen Jahre der heutigen Queen durchgehen könnte. Was übrigens gar nicht negativ gemeint ist, denn wenn das Resultat dermaßen unterhaltsam ausfällt wie "A Royal Night", dann hat man als Zuschauer kaum Grund zur Beschwerde!

Amüsanterweise basiert "A Royal Night" übrigens lose auf wahren Geschehnissen – wobei die Betonung hier klar auf "lose" liegt, denn wenngleich natürlich niemand außer den Beteiligten jemals genau wissen wird, was in dieser Nacht passiert ist, so ist doch klar, daß es nicht so ablief wie in der Phantasie der beiden Drehbuch-Autoren (beispielsweise sind die Prinzessinnen mit einer ganzen Gruppe aufgebrochen und auch pünktlich wieder zurück im Palast gewesen). Doch da die Realität mit großer Wahrscheinlichkeit sehr viel langweiliger ablief als die hübsche Geschichte, die "A Royal Night" erzählt, hätte sie wohl kaum Stoff für einen unterhaltsamen Film abgegeben. Fakt ist jedenfalls, daß der Film trotz der frei erfundenen (aber erkennbar von William Wylers Klassiker "Ein Herz und eine Krone" mit Audrey Hepburn und Gregory Peck inspirierten) Story jederzeit höchsten Respekt gegenüber der aktuellen Queen und ihren Eltern wahrt. Das läßt sich schon anhand der tonalen Aufteilung der verschiedenen Handlungsstränge erkennen: Prinzessin Margaret und die beiden überforderten Aufpasser-Offiziere sorgen für die Comedy, während Prinzessin Elizabeth und das Königspaar stets humorvoll-ernsthaft und voller Würde bleiben.

Das mag man etwas unfair gegenüber der armen (2002 verstorbenen) Margaret finden, aber angesichts der zahlreichen realen Skandale und Skandälchen der wilden Prinzessin (eine der pikanteren Geschichten über sie kennen eifrige Kinogänger aus dem empfehlenswerten Action-Thriller "Bank Job" mit Jason Statham) nehmen sich ihre Abenteuer in "A Royal Night" reichlich harmlos aus. Außerdem kommt sie als naive, feierwütige Jugendliche dank der liebenswürdigen Verkörperung durch Bel Powley sehr sympathisch rüber. Das gilt generell für alle dargestellten Royals, auch wenn Lizzies Mutter Königin Elizabeth vielleicht etwas arg streng erscheint – was für eine Mutter zweier Teenager aber natürlich nicht ungewöhnlich ist. Emily Watson gelingt es jedenfalls, die Königin trotz oder gerade wegen dieser Strenge als liebevolle, besorgte Mutter zu zeigen, während Rupert Everett die schwere Aufgabe, die gleiche Rolle des stotternden Königs George zu verkörpern, für die Colin Firth vor wenigen Jahren den OSCAR gewann (in "The King's Speech"), mit jeder Menge Charme meistert. Für die schauspielerischen Highlights sorgt jedoch Sarah Gadon, die der echten Elizabeth II. in jungen Jahren nicht nur erstaunlich ähnlich sieht (vielleicht sogar mehr als Helen Mirren der älteren Elizabeth II. in "Die Queen"), sondern diese extrem öffentliche Figur so überzeugend und authentisch verkörpert, daß man sich sehr gut vorstellen kann, daß sie damals tatsächlich so war: Ernst, vernünftig, aber auch romantisch und dezent humorvoll, dazu bereits mit jener buchstäblich majestätischen Autorität, die sie nach dem frühen Antritt ihres "Amts" schnell auszeichnen sollte.

Durch Lizzies Begegnung mit dem einfachen Soldaten Jack – einem Kriegshelden, der keiner sein will – gerät auch der geschichtliche Hintergrund nicht in Vergessenheit in dieser ansonsten so unbeschwerten Komödie. Auf ihrer Irrfahrt quer durch London lernt Lizzie Seiten der Stadt und der Gesellschaft kennen, die ihr zwangsläufig völlig neu sind; sie erfährt auch erstmals aus nächster Nähe, welche Opfer in vielerlei Hinsicht der verlustreiche Krieg von den Bürgern forderte. Gleichzeitig bekommt sie aber ebenfalls zu spüren, wie stark sich die Hoffnungen des Volkes auf ihren König und dessen Thronfolgerin richten, die die siegreiche, aber zerbombte Nation in eine hoffnungsvolle Zukunft führen sollen. So ist "A Royal Night" ein bißchen auch ein Road-Movie und ein Coming of Age-Film, in dem die royale Protagonistin erstmals richtig mit der Wirklichkeit (und zarten romantischen Gefühlen) konfrontiert wird und an diesem Erlebnis wächst. Natürlich ist das alles – zumal angesichts der Zeitspanne von nur einer Nacht – wenig glaubwürdig, aber innerhalb des Films funktioniert es wunderbar. Dafür sorgen die durchweg charismatischen Darsteller ebenso wie Regie und Drehbuch, denen es sogar gelingt, die im Kern komplett erwartbare Handlung durch einige im Detail dann doch unvorhersehbare und stets sehr unterhaltsame Schlenker (herrlich etwa Maggies zwanglose Unterhaltung mit einigen Prostituierten, in der jede einzelne Dialogzeile vom jeweiligen Zuhörer zum großen Vergnügen des Publikums komplett falsch verstanden wird) bis zum Letzten auszureizen.

Fazit: "A Royal Night – Ein königliches Vergnügen" wird seinem Untertitel weitgehend gerecht und bietet dem Publikum eine zwar bemerkenswert unkritische, dafür aber umso amüsantere Phantasie mit Herz über die damalige Thronfolgerin Elizabeth.

Wertung: 8 Punkte.


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