Originaltitel:
Jingi naki tatakai
Regie:
Kinji Fukasaku, Drehbuch: Kazuo Kasahara, Musik: Toshiaki Tsushima
Darsteller:
Bunta Sugawara, Nobuo Kaneko, Hiroki Matsukata, Gorô Ibuki, Shin'ichirô Mikami, Asao Uchida,
Toshie Kimura, Tamio Kawaji, Kunie Tanaka,
Keiji Takamiya, Shinji Takano, Eiko Nakamura, Hiroshi Nawa
Präfektur Hiroshima, 1946: Japan ist nach dem verlorenen
Krieg noch immer am Boden, der Wiederaufbau verschlingt viele Ressourcen,
während die einfachen Bürger versuchen, irgendwie über die Runden zu kommen.
Das kriminelle Doi-Syndikat hat den Schwarzmarkt an sich gerissen und
terrorisiert all jene, die auf eigene Faust versuchen, durch illegale Geschäfte ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Also beschließen einige Freunde, sich ebenfalls zu einem Syndikat
zusammenzuschließen, dessen Boß der Geschäftsmann Yamamori (Nobuo Kaneko aus
Akira Kurosawas "Ikiru – Einmal richtig leben") wird. Nachdem er aus
dem Gefängnis entlassen wurde, schließt der ehemalige Soldat Shozo Hirono (Bunta Sugawara,
"Tekken") sich der Gruppe an, die schnell Erfolge feiert. Konflikte mit
dem Doi-Syndikat und anderen Yakuza bleiben auf Dauer aber nicht aus, und über die Jahre
hinweg muß Shozo mitansehen, wie immer wieder einzelne Personen die Seiten
wechseln, zudem sind Intrigen, Verrat und sogar offener Mord zunehmend an der
Tagesordnung …
Kritik:
Selbst Gegner des "Django Unchained"-Regisseurs und -Autors
Quentin Tarantino müssen ihm zugestehen, daß seine Fähigkeit, vergessene und
oft ziemlich obskure, aber doch fast immer sehenswerte Filme dadurch in das Licht
der interessierten Öffentlichkeit (zurück) zu zerren, daß er ihnen in seinen
Werken Hommage zollt oder sie auch nur mit der für ihn so typischen
Begeisterungsfähigkeit in Interviews lobt, ziemlich einmalig ist. Ich selbst
hätte einiges ohne Tarantino vielleicht nie, auf jeden Fall aber deutlich
später entdeckt. Toshiya Fujitas "Lady Snowblood" (1973) mit der
wunderbaren Titeldarstellerin Meiko Kaji beispielsweise, dessen Handlung und
visueller Stil die gesamte O-Ren Ishii-Episode in "Kill Bill Vol.
1" inspiriert hat. Oder den Blaxploitation-Klassiker "Foxy
Brown" (1974), dessen Hauptdarstellerin Pam Grier Tarantino 23 Jahre
später zur Protagonistin seiner Elmore Leonard-Adaption "Jackie
Brown" machte. Auch auf Kinji Fukasakus ("Battle Royale")
Klassiker des japanischen Gangsterfilms wurde ich erstmals durch Tarantino
aufmerksam, denn der Soundtrack zu "Kill Bill Vol. 1" enthielt einen
Track von Tomoyasu Hotei namens "Battle without Honor or Humanity".
Ein solcher Titel machte mich neugierig und so stieß ich schnell auf die
filmische Inspiration dafür. Und in der Tat: Der stilistische Einfluß, den
Fukasakus Film auf Quentin Tarantino (und andere wie das japanische Multitalent Takeshi Kitano, das ab den 1990er Jahren als Regisseur, Drehbuch-Autor und Hauptdarsteller zahlreiche ähnlich desillusionierende Yakuza-Filme wie "Sonatine", "Brother" oder "Outrage" realisierte) hatte, ist unverkennbar.
"Battles without Honor and Humanity" wird nicht zuletzt
aufgrund des Zeitpunkts seiner Veröffentlichung gerne mit Francis Ford Coppolas "Der Pate" (1972) verglichen, doch so groß sind die Parallelen eigentlich nicht. Fukasaku setzt weniger auf
eine epische Inszenierung, sondern bevorzugt einen quasi-dokumentarischen Stil,
der gut dazu paßt, daß das Drehbuch auf den Aufzeichnungen eines echten Gangsters
basiert, der die Geschichte der Hiroshima-Yakuza aus seiner Perspektive zu Papier brachte, während er im Gefängnis saß. Der Einstieg in die fast 20 Jahre
umfassende Chronik wird vor allem nicht-japanischen Zuschauern recht schwer
gemacht, denn in den ersten Minuten wird man auf dem Schwarzmarkt von Hiroshima
mit rund einem Dutzend aktueller oder zukünftiger Yakuza konfrontiert, deren
Namen und Gesichter sich auf Anhieb einzuprägen nahezu unmöglich sein dürfte.
Verkompliziert wird die ganze Angelegenheit noch dadurch, daß es kaum eine
richtige Handlung gibt, der man folgen könnte, auch keinen Spannungsbogen, der sich entwickelt und
keine Figuren, mit denen man sich identifizieren könnte.
Umso bemerkenswerter ist es, wie schnell "Battles
without Honor and Humanity" einen trotzdem packt. Das liegt an Regisseur
Fukasakus temporeicher Inszenierung ebenso wie an Kameramann Sadaji Yoshidas
stylishen Bildern, an der funkigen Sixties-Musik von Toshiaki Tsushima und an
den kompromißlosen – aus heutiger Sicht aber trotz einiger abgetrennter Gliedmaßen nicht mehr übermäßig brutal wirkenden
(wie die FSK16-Freigabe bestätigt) –, mit der Handkamera dynamisch präsentierten Kampfszenen mit reichlich ketchuprotem
Kunstblut. Auch der immer wieder durchscheinende schwarze Humor trägt seinen
Teil dazu bei, daß der Film so gut funktioniert. Und natürlich Bunta Sugawara.
Der von ihm eindrucksvoll verkörperte Shozo Hirono ist zwar
auch nicht gerade ein Sonnenschein, entwickelt sich aufgrund seiner Integrität
aber schnell zum wahren Protagonisten des Films, für den man durchaus
Sympathien empfindet. Er ist fast der einzige, der die
Schlagworte von Ehre und Loyalität, mit denen die Yakuza gerne um sich werfen,
tatsächlich lebt, während um ihn herum jeder nur auf das eigene Wohl bedacht
ist und dafür im Zweifelsfall wohl sogar seine eigene Mutter verkaufen würde.
Fukasakus extrem zynische Sicht auf die japanische Mafia bedeutete eine
radikale Abkehr von der Darstellung der Yakuza in den
meisten anderen Filmen nach dem Zweiten Weltkrieg, in denen sie oft als Helden
stilisiert und verklärt wurden. In "Battles without Honor and
Humanity" kann davon wahrlich keine Rede mehr sein, selbst Shozo taugt
sicherlich nicht als Posterboy der Yakuza.
In Japan war Fukasakus grimmiger Action-Thriller sehr
erfolgreich und wurde von Fukasaku mit vier weiteren Teilen in schneller Folge fortgesetzt, denen
eine ähnlich hohe Qualität attestiert wird (die Reihe ist auch unter dem Titel "The Yakuza Papers" bekannt). Später folgten noch einige eher
lose Sequels. Außerhalb Japans wird leider nur dieser erste Film relativ
regelmäßig auf DVD veröffentlicht, und auch das nur in der japanischen Sprachfassung mit Untertiteln.
Fazit: "Battles without Honor and Humanity"
ist ein bitterer Gangster-Thriller, der zwar in Sachen Handlung und Figurenzeichnung
(gewollt) relativ wenig zu bieten hat, das aber mit einer stylishen, temporeichen und schwarzhumorigen
Inszenierung und einem ungeschönten Blick auf die Abgründe (nicht nur) der kriminellen Halbwelt Japans mehr als wettmacht.
Wertung: 8 Punkte.
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