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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Mittwoch, 14. November 2012

NOKAN – DIE KUNST DES AUSKLANGS (2008)

Originaltitel: Okuribito
Regie: Yôjirô Takita, Drehbuch: Kundô Koyama, Musik: Joe Hisaishi
Darsteller: Masahiro Motoki, Ryôko Hirosue, Tsutomu Yamazaki, Kimiko Yo, Tôru Minegishi, Kazuko Yoshiyuki, Takashi Sasano, Tetta Sugimoto, Tatsuo Yamada, Mitsuyo Hoshino, Tarô Ishida
 Okuribito
(2008) on IMDb Rotten Tomatoes: 80% (7,1); weltweites Einspielergebnis: $69,9 Mio.
FSK: 12, Dauer: 130 Minuten.

Nachdem das Tokioter Orchester, in dem er Cello spielt, aus finanziellen Gründen aufgelöst wird, zieht der junge Daigo (Masahiro Motoki, "The Bird People in China") gemeinsam mit seiner Frau Mika (Ryôko Hirosue, die Filmtochter von Jean Reno in "Wasabi – Ein Bulle in Japan") zurück aufs Land, um in dem Haus zu wohnen, das seine verstorbene Mutter ihm vermacht hat. Als er bei seiner Arbeitssuche auf eine Anzeige antwortet, die vermeintlich von einer Reiseagentur aufgegeben wurde, muß er feststellen, daß es einen fatalen Druckfehler gab. Statt "Reise" sollte es in der Stellenanzeige nämlich "letzte Reise" heißen, kurzum: Beim Inserenten handelt es sich um eine Agentur, die im Auftrag der eigentlichen Bestatterfirmen bei Verstorbenen die traditionellen Todeszeremonien vollzieht. Eine Tätigkeit, die in Japan geradezu geächtet ist, weil das Berühren von Leichen als "unrein" betrachtet wird. Nach anfänglichem Zögern nimmt Daigo die Stelle dennoch an, verheimlicht aber vor seinen Freunden und selbst vor seiner Frau, was er wirklich tut ...

Kritik:
Als "Nokan – Die Kunst des Ausklangs" 2009 als japanischer Beitrag unter dem englischen Titel "Departures" für den OSCAR als bester nicht-englischsprachiger Film nominiert wurde, war das eine kleine Überraschung. Daß dieses ruhige, beinahe medidative Werk sich dann gar gegen die hochkarätige Konkurrenz, bestehend aus dem israelischen Animations-Kriegsdrama "Waltz with Bashir", dem französischen Sozialdrama "Die Klasse", dem existentialistischen österreichischen Thriller "Revanche" und dem deutschen Polit-Thriller "Der Baader Meinhof Komplex" durchsetzen konnte, war beinahe eine Sensation. Hundertprozentig nachvollziehen kann ich persönlich die Entscheidung nicht (wenngleich ich die deutschen und israelischen Beiträge in der Tat schwächer finde), doch offenbar hatten die Academy-Mitglieder in diesem Jahr keine Lust auf kontroverse und politische Themen und gaben deshalb lieber dem zwar in jeder Hinsicht unspektakulären, jedoch zweifellos sehr gut gemachten und trotz der Thematik lebensbejahenden "Nokan" den Vorzug.

Die Idee zu diesem eng mit japanischen Traditionen verknüpften Film hatte Hauptdarsteller Masahiro Motoki, der die zehn Jahre, die bis zum tatsächlichen Dreh von "Nokan" vergingen, nutzte, um sowohl den Umgang mit dem Cello als auch bei einem realen Bestatter dessen Handwerk zu erlernen. Das nenne ich Hingabe. Entsprechend überzeugend wirkt auch seine Darstellung des jungen Mannes, der seinen neuen Job zunächst nur sehr widerwillig und rein aus finanziellen Gründen annimmt, ihn und seine gesellschaftliche Bedeutung dann aber immer stärker zu schätzen lernt und nebenbei auch noch zu sich selbst findet.

Regisseur Yôjirô Takita ("Der letzte Feldzug der Samurai") erzählt die Geschichte sensibel und in elegischen, oft symbolbeladenen Bildern, passend unterlegt mit der sanften Musik von Joe Hisaishi, dem Stammkomponisten von Hayao Miyazaki in Filmen wie "Chihiros Reise ins Zauberland" oder "Das wandelnde Schloß". Speziell bei der Darstellung der zeremoniellen Handlungen nimmt sich Takita zudem sehr viel Zeit und kostet sie bis zum letzten Moment aus – auch auf die Gefahr hin, mitunter die Geduld seines Publikums etwas zu strapazieren. "Nokan" ist in gewisser Hinsicht ein wohltuend unambitionierter Film, denn Takita will gar kein großes Kino zeigen, keine aufregende Handlung präsentieren, sondern sich schlicht mit einem in Japan tabuisierten Thema – dem Tod – ernst- und gewissenhaft auseinandersetzen. Das gelingt ihm vortrefflich, wobei ich keineswegs eine vollständige Humorlosigkeit implizieren will. Vor allem zu Beginn, als Daigo mit seinen neuen Aufgaben betraut wird, lockert ein leiser, sympathischer Humor mit sogar kurzen Ausflügen in die Situationskomik die Stimmung auf. Und natürlich gibt es auch in "Nokan" eine Liebesgeschichte und schrullige, sympathische Nebencharaktere. Letztlich ist "Nokan" aber eigentlich "nur" ein einfühlsamer Film über einen ungewöhnlichen Beruf.

Nach eigener Aussage hatte Takita aufgrund der Thematik seines Films übrigens nie damit gerechnet, einen kommerziellen Erfolg erzielen zu können. Und doch hat "Nokan" alleine in Japan umgerechnet mehr als 60 Millionen US-Dollar eingespielt und auch international (unter Mithilfe des OSCAR-Triumphes) sein Publikum gefunden. Manchmal lohnt sich der Mut zu ungewöhnlichen Themen eben, und das ist doch immer wieder eine mutmachende Erkenntnis.

Fazit: "Nokan – Die Kunst des Ausklangs" ist ein ausgesprochen ruhiger und unspektakulärer, aber schön gefilmter und sensibel erzählter Film, der mit ernsthafter Authentizität, ungemein sympathischen Figuren und Darstellern sowie leisem Humor gefällt. Ein geradezu klassischer Arthouse-Film, der auf mit viel Geduld gesegnete Zuschauer, die sich voll auf die gemächliche Erzählweise einlassen können und wollen, abzielt.

Wertung: 7,5 Punkte.


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