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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Samstag, 25. Februar 2012

MIDNIGHT IN PARIS (2011)

Regie und Drehbuch: Woody Allen, Musik: Stephane Wrembel
Darsteller: Owen Wilson, Rachel McAdams, Michael Sheen, Kathy Bates, Adrien Brody, Tom Hiddleston, Corey Stoll, Kurt Fuller, Marion Cotillard, Léa Seydoux, Alison Pill, Nina Arianda, Carla Bruni
Midnight in Paris
(2011) on IMDb Rotten Tomatoes: 93% (7,8); weltweites Einspielergebnis: $151,1 Mio.
FSK: 0, Dauer: 94 Minuten.
Gil (Owen Wilson) ist ein erfolgreicher Hollywood-Drehbuchautor, der aber eigentlich ein "richtiger" Schriftsteller sein will und seinen fertigen ersten Roman bereits in der Schublade liegen hat. Seine Verlobte Inez (Rachel McAdams) und ihre Eltern unterstützen seine Ambitionen jedoch nicht gerade, was an seinem Selbstvertrauen nagt. Als sie aufgrund eines Geschäftstermins von Inez' Vater alle zusammen nach Paris reisen, blüht Gil auf, denn er hat schon immer von der französischen Hauptstadt und speziell von der legendären Pariser Künstlerszene der 1920er Jahre geschwärmt. Inez kann Gils Gefühle leider überhaupt nicht nachvollziehen und die spürbare Entfremdung zwischen den beiden verstärkt sich noch, als sie zufällig auf Inez' Ex-Schwarm Paul (Michael Sheen) treffen, einen Intellektuellen, der seine Bildung aggressiv vor sich her trägt und damit nicht nur den armen Gil nervt, sondern auch das Publikum. Doch dann geschieht etwas Phantastisches: Als Gil nachts allein durch Paris streift, hält ein Oldtimer an und dessen fröhliche Insassen fordern ihn auf, einzusteigen und sie auf eine Party zu begleiten. Gil folgt der Einladung und traut seinen Augen nicht, als er wenig später Cole Porter und F. Scott Fitzgerald begegnet, dann sogar Hemingway und Picasso! Wie durch ein Wunder ist er im Paris der 1920er Jahre gelandet, jener Epoche, nach der er sich immer gesehnt hat ...

Kritik:
Der Kinosommer 2011 wird wohl als Sommer der Nostalgie in die Filmhistorie eingehen. Die 1980er Jahre-Hommage "Super 8" ist das beste Beispiel dafür, auch die überraschend guten Prequels von "X-Men" und "Planet der Affen" erinnern an vergangene Jahrzehnte. Und nun kommt Altmeister Woody Allen daher, schafft in den USA seinen (nicht inflationsbereinigt) erfolgreichsten Film aller Zeiten sowie seinen vielleicht besten seit "Zelig" 1983 und entführt darin sein Publikum sogar in das erste Viertel des 20. Jahrhunderts zurück. Man muß Allen einfach lieben dafür, daß er die Chuzpe hat, völlig ungeachtet des (vermuteten) Mainstreams einen Film in die Kinos zu bringen, den man eigentlich nur hundertprozentig genießen und verstehen kann, wenn man ein ziemlich guter Kenner der damaligen Kunstszene ist. Und daß dieser Film dann auch noch weltweit ein Erfolg wird, grenzt an ein mittleres Wunder.

Ich selbst muß bekennen, daß ich leider nicht wirklich ein Kenner der gezeigten Ära bin aber immerhin reichen meine Kenntnisse, um fast alle vorkommenden Namen zu kennen und zuordnen zu können (nur nach der Schriftstellerin Djuna Barnes mußte ich googlen ...) und auch zumindest einige Anspielungen auf Leben und Werk der Künstler zu erkennen. Das reicht auf jeden Fall, um Allens Kunstfertigkeit zu bewundern, aber je größer das Wissen um die damalige Pariser Künstlerszene ist, desto größer dürfte auch der Filmgenuß ausfallen.

Ein wenig irritiert es mich immer noch, daß Woody Allen seit einigen Filmen seine "eigene" Rolle nicht mehr selbst spielt, denn man erkennt überdeutlich, daß er die jeweiligen Rollen eigentlich sich selbst auf den Leib geschrieben hat - in diesem Fall einer jüngeren Version seiner selbst. Bei "Whatever Works" hat es mich nicht übermäßig gestört, weil Larry David Woody Allen einerseits ziemlich ähnlich sieht, andererseits aber seinen ganz eigenen Stil hat, um die Rolle einzigartig zu machen. Bei "Ich sehe den Mann Deiner Träume" war Anthony Hopkins eine ziemlich ungeeignete Besetzung für die Rolle aber da mir der Film sowieso nicht gefallen hat, war das auch egal. In "Midnight in Paris" ist es nun jedoch wirklich auffällig, denn Owen Wilson sieht Woody Allen zwar nicht allzu ähnlich, imitiert seine Gestik und Mimik aber erstaunlich gut (und trägt typische Allen-Kleidung). Das ist natürlich eigentlich lobenswert, aber nichtsdestotrotz leicht irritierend ...

Seinen Schauplatz Paris setzt Allen traumhaft in Szene, der wortlose (für Allen ungewöhnliche) Prolog würde glatt als Werbefilm für Frankreichs Hauptstadt durchgehen. Die bis in die Nebenrollen stark besetzten Schauspieler machen ihre Sache gut, ohne daß jemand merklich herausragt. "Midnight in Paris" ist eher ein klassisches Ensemble-Stück, in dem es zudem so viele wichtige Nebenrollen gibt, daß außer Wilson eigentlich kein Darsteller wirklich lange auf der Leinwand zu sehen ist.

Die Dialoge bewegen sich auf bewährtem Allen-Niveau mit jeder Menge feinem Humor und auch einigen tiefergehenden Gedankengängen. Das einzige, was mich wirklich gestört hat an diesem buchstäblich traumhaften Film, ist die übertrieben unsympathische Darstellung von Inez, ihren Eltern und Paul. Natürlich hat das einen dramaturgischen Grund, denn die Stellung dieser Figuren innerhalb der Handlung ist essentiell für die Botschaft des Films. Trotzdem: Nervende Charaktere ... nunja, nerven eben. Nicht stark zum Glück, aber sie verhindern eine ansonsten durchaus mögliche Höchstwertung. Manche Zuschauer kritisieren zudem, daß die Darstellung der Berühmtheiten eher unrealistisch sei, was ich nicht beurteilen kann. Entscheidend ist für mich, daß sie innerhalb dieses Films wunderbar funktionieren.

Fazit: "Midnight in Paris" ist ein nostalgisches, humorvolles und intelligentes Kinovergnügen, das zeigt, daß Woody Allen noch lange nicht reif für den Ruhestand ist mit Filmen wie diesem wird er seine treue Anhängerschaft sogar noch etwas vergrößern können.

Wertung: 9 Punkte.


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